Leitlinien
Verfahrensanweisung für die Technetium-99m-Nanokolloidszintigraphie mit bei der Diagnose einer Osteomyelitis
J. Meller, Abteilung Nuklearmedizin der Universität Göttingen
Literatur
J. Meller, Abteilung Nuklearmedizin der Universität Göttingen
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- Zielsetzung
Diese Verfahrensanweisungen sollen bei der Durchführung, Interpretation und Befundung der Nanocolloidszintigraphie bei Patienten mit einer Osteomyelitis des peripheren Skelettsystems hilfreich sein.
- Hintergrundinformation und Definition
Die Szintigraphie mit monoklonalen Tc-99m-markierten Nanokolloid erlaubt es die Verteilung des Radiopharmazeutikums im Körper des Patienten mittels Einzelaufnahmen, Ganzkörperaufnahmen und mittels SPECT-Untersuchungen zu erkennen. Es ist darauf hinzuweisen, daß Tc-99m-markiertes Nanokolloid ein in Deutschland zugelassenes Medikament zur Knochenmarkszintigraphie und zur Darstellung des lymphatischen Systems ist. Bei der Verwendung als Tracer zur Entzündungsdiagnostik handelt es sich um einen „off-label use“.
- Indikation
Es wird auf das Kapitel: „Differentialindikation für verschiedene radioaktive Arzneimittel bei unterschiedlichen entzündlichen Erkrankungen“ verwiesen. Einzige Indikation ist die Osteomyelitis peripherer Skelettabschnitte.
- Untersuchung
- Patientenvorbereitung:
Aufgrund möglicher, jedoch sehr selten auftretender (> 1:10000) allergischer Reaktionen auf das Radiopharmazeutikum, sollte ein stabiler peripherer venöser Zugang gelegt werden und der Patient 15-30 Minuten nach Applikation nachbeobachtet werden.
- Anamnestische und klinische Angaben:
Eine bekannte Allergie auf Humanalbuminderivate stellt eine Kontraindikation zur Untersuchung dar. Eine klinische Anamnese und Ergebnisse früherer Untersuchungen sind zur Befundinterpretation wichtig. Insbesondere sind stattgehabte Traumen oder Operationen zu erfragen. Drainagen, eingebrachtes Fremdkörpermaterial, Haut- oder Weichteilinfektionen sind zu dokumentieren. Die Ergebnisse, die mit anderen Bildgebenden Verfahren erhoben wurden, sollten bekannt sein.
- Vorsichtsmaßnahmen:
Die Injektion sollte somit immer über einen venösen Zugang stattfinden. Hierdurch vermeidet man u. a. ein Verklumpen der Albuminpartikel bei einer ggf. notwendigen Aspiration beim Aufsuchen einer Vene.
- Radiopharmazeutikum:
Nanocoll besteht als Nanokolloid aus einer Kombination von menschlichem Serumalbumin mit Zinn(II)-chlorid-2-hydrat. Nach Herstellerangaben (Nycomed Amersham Sorin, Italien, Produktinformation) zeichnet es sich durch eine typische Teilchengröße des mit 99mTc-markierten Kolloids aus, die zu 95% im Bereich >80 nm liegt. Lediglich 4% liegen im Bereich zwischen 80-100 nm sowie 1% >100 nm.
Tc-99m-markierte Kolloide mit einer Größe bis zu 100 nm werden nach intravenöser Injektion im retikuloendothelialen Gewebe von Knochenmark, Leber und Milz phagozytiert. In Entzündungsgebieten kommt es zur Leckage dieser Partikel durch die entzündungsvermittelten Endothel und Basalmembrandehiszenzen. Die Partikel werden im Interstitium des entzündlichen Gewebes abgelegt. Hier erfolgt eine Phagozytose der Kolloide durch Gewebsmakrophagen. Von Vorteil sind die einfache Herstellung des Radiopharmakons, die kurze Untersuchungsdauer und der vergleichsweise geringe Zeitverzug bis zum Vorliegen der Untersuchung.
- Strahlenexposition für Tc-99m-Nanokolloid
Radioaktives Arzneimittel Verabreichte Aktivität (MBq) Maximale Organexposition (mGy) Effektive Dosis(mSv/ MBq)* 99mTc-Nanocoll 400 0,078 Leber 0,0051 Tab. 1: Strahlenexposition für Erwachsene
- Patientenvorbereitung:
- Befundinterpretation
- Physiologisches Aktivitätsverteilungsmuster:
Beim Einsatz von Tc-99m-markierten Nanokolloid kommt es physiologischerweise zu einer Darstellung des Knochenmarkes, der Milz und der Leber. Häufig findet sich eine flaue Darstellung beider Nieren und der Blase als Ausscheidungsorgane durch freies Pertechnetat.
- Pathologischer Befund:
Aktivitätsausspaarungen im hämatopoetischem Knochenmark sind differentialdiagnostisch vieldeutig und deuten auf einen Knochenmarkverdrängenden Prozess (entzündlich, tumorös, degenerativ) hin. Eine Osteomyelitis in peripherer Lokalisation stellt sich in den 30 Minuten-Aufnahmen als Mehranreicherung dar. Die Sensitivität des Befundes ist sehr hoch, so daß ein negatives Szintigramm eine Osteomyelitis mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließt.
- Physiologisches Aktivitätsverteilungsmuster:
- Qualitätskontrolle
Eine Qualitätskontrolle der Markierungsausbeute mit Tc-99m ist nicht obligat.
- Fehlerquellen
Falsch positive Befunde sind bei Prozessen zu erwarten, die zu einer gesteigerten Kapillarleckage oder zum Austritt von Blutkomponenten führen (Hämatome, Knochenfrakturen, Pseudoarthrosen, abakterielle inflammatorische Prozesse, Granulationsgewebe, diabetische Osteoarthropathie). Die Spezifität der Methode ist möglicherweise geringer als die Spezifität anderer aufwendigerer entzündungsszintigraphischer Methoden. Allerdings fehlen zu dieser Frage größere Vergleichsuntersuchungen.
Falsch negative Befunde sind bei stammnahen Osteomyelitiden die Regel weswegen die Methode nicht für eine Osteomyelitis des Körperstammes empfohlen werden kann. Auch eine chronifizierte Osteomyelitis der Sklettperipherie stellt sich gelegentlich nicht dar.
- Einschränkung / Haftungsausschluss
Die Richtlinien erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und schließen die Existenz anderer, möglicherweise auch aussagefähiger, jedoch nicht erwähnter Methoden nicht aus. Das Patientenspektrum kann sich in einer spezialisierten Einzelpraxis erheblich von dem in einer diagnostischen Allgemeinpraxis unterscheiden. Die Indikation zu einer Untersuchung ist z.T. abhängig von der Prävalenz einer Erkrankung in der Patientenpopulation. Außerdem können die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zwischen verschiedenen Einrichtungen sehr unterschiedlich sein. Aus diesen Gründen können Richtlinien nicht völlig konsequent angewandt werden. Der medizinische Fortschritt geht zügig voran. Daher sollten Richtlinien in Relation zu ihrem Erscheinungsdatum auf ihre aktuelle Anwendbarkeit überprüft werden.
Literatur
- Flivik G, Sloth M, Rydholm U, Herrlin K, Lidgren L. Technetium-99m-nanocolloid scintigraphy in orthopedic infections: a comparison with indium-111-labeled leukocytes. J Nucl Med 1993; 34: 1646-1650.
- Hotze A, Bockisch A, Ruther M, Biersack HJ. Comparison of 99m Tc-HMPAO-labeled leukocytes and 99m Tc-nanocolloid in osteomyelitis. Nuklearmedizin 1988; 27:63-55.
- Mudun A, Unal S, Aktay R, Akmehmet S, Cantez S. Tc-99m nanocolloid and Tc-99m MDP three-phase bone imaging in osteomyelitis and septic arthritis. A comparative study. Clin Nucl Med 1995; 20: 772-778.
- Remedios D, Valabhji J, Oelbaum R, Sharp P, Mitchell R. 99mTc-nanocolloid scintigraphy for assessing osteomyelitis in diabetic neuropathic feet. Clin Radiol 1998; 53: 120-125.
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