Leitlinien
Verfahrensanweisung zur Gallium-67-Zitrat-Szintigraphie bei entzündlichen Erkrankungen
J. Meller, Abteilung Nuklearmedizin der Universität Göttingen Überarbeitet nach: W. Becker , Abteilung Nuklearmedizin der Universität Göttingen
J. Meller, Abteilung Nuklearmedizin der Universität Göttingen Überarbeitet nach: W. Becker , Abteilung Nuklearmedizin der Universität Göttingen
zurück zur Übersicht |
- Zielsetzung
Ziel dieser Empfehlung ist es, Hilfestellung bei der Durchführung, der Interpretation und der Befundung der Ergebnisse der Gallium-67-Zitrat-Entzündungsszintigraphie zu geben.
- Hintergrundinformation Definition
Durch die Entwicklung spezifischer Tracer und die zunehmende Verfügbarkeit der F-18-FDG PET hat die Entzündungsszintigraphie Gallium-67-Zitrat in den letzten Jahren sehr stark an Bedeutung verloren. Nachteilig an der Technik ist die relativ hohe Strahlenexposition (effektive Dosis: 15-23 mSv), die relativ schlechte Zählstatistik und die Tatsache, daß die szintigraphische Diagnose erst nach 48-72 Stunden gestellt werden kann. Gallium-67 Zitrat ist ein in Deutschland zugelassenes Radiopharmazeutikum zur Tumor- und Entzündungsdiagnostik.
- Indikationen zur Gallium-67-Zitrat-Szintigraphie
Es wird auf das Kapitel: „Differentialindikation für verschiedene radioaktive Arzneimittel bei unterschiedlichen entzündlichen Erkrankungen“ verwiesen. Die Indikationsstellung ist angesichts der zunehmenden Verfügbarkeit von FDG eng zu stellen.
- Durchführung der Gallium-67-Zitrat-Szintigraphie
- Patientenvorbereitung:
Die Gabe von Laxanzien oder Einläufen kann die physiologische Ausscheidung von Gallium-67-Zitrat in den Dickdarm und damit auch die Strahlenexposition vermindern. Derartige Darmreinigungsmaßnahmen sind optional.
- Anamnestische und klinische Angaben:
- Kürzliche Hämolyse oder Bluttransfusionen, die die Bioverteilung von Gallium-67-Zitrat beeinträchtigen
- Kürzliche Operationen, invasiv diagnostische Maßnahmen oder Traumen
- Kürzlich durchgeführte Chemotherapien, Strahlentherapien oder Kernspintomographien mit Gadolinium
- Maligne Grunderkrankungen oder Immunsuppression
- Ergebnisse bisher durchgeführter Bildgebender Verfahren
- Kürzliche Hämolyse oder Bluttransfusionen, die die Bioverteilung von Gallium-67-Zitrat beeinträchtigen
- Radiopharmazeutikum:
Gallium-67 zerfällt mit einer physikalischen Halbwertszeit (HWZ phys) von 78 Stunden durch Elektroneneinfang in stabiles Zink (Zn-67). Zur Anwendung am Menschen wird es in Zitratform angewendet. Die Photopeaks liegen bei 93 keV (40%), 184 keV (24%), 296 keV (22%), und 388 keV (7%). Die maximale Organdosis erhält die Darmwand im unteren Dickdarm. Die üblicherweise einem Erwachsenen intravenös injizierte Aktivität liegt bei ca. 220 MBq (Tab 1).
Radioaktives Arzneimittel Verabreichte Aktivität (MBq) Maximale Organexposition
mGyEffektive Dosis+
in mSvGallium-67-Zitrat 200 0,2 Dickdarm 0,120 Tab. 1: Strahlenexposition für Erwachsene *ICRP 53, Seite 142; MIRD Committee Dose Estimate Report Nr. 2, Radiation Absorbed Dose for 66Ga, 67Ga, 68Ga and 72Ga-citrate. J Nucl Med 1973; 14: 755-6
Die Aktivität für Kinder richtet sich nach Körpergewicht oder Körperoberfläche (Tab. 2) und beträgt 1,5-2,6 MBq mit einer maximalen Aktivität von 9-19 MBq. Die maximal einem Kind verabreichte Aktivität sollte naturgemäß nicht die Aktivität für Erwachsene überschreiten.
Radioaktives Arzneimittel i.v. injizierteös Aktivität
MBqMaximale Organbelastung*
mGyEffektive Dosis*
in mSvGallium-67-Zitrat 1,5 - 2,6 0,72 Dickdarm 0,4 Tab. 2: Strahlenbelastung für Kinder (5 Jahre)
*ICRP 53, Seite 142; MIRD Commitee Dose Estimate Report Nr. 2, Radiation Absorbed Dose for 66Ga, 67Ga, 68Ga and 72Ga-citrate. J Nucl Med 1973; 14: 755-6.
Biodistribution: Physiologischerweise werden 10-25% des Tracers innerhalb der ersten 24 Stunden nach Applikation über die Nieren ausgeschieden. Danach ist eine Ausscheidung vorwiegend über das Kolon zu beobachten. Nach 7 Tagen sind noch 65% der applizierten Aktivität im Ganzkörper retiniert.
Nach 48 Stunden findet man 24% der applizierten Ga-67-Aktivität im Skelett, 5% in der Leber, 1% in der Milz und 2% in den Nieren wieder. Im Gewebe bindet Gallium neben Transferrin auch an Ferritin und Lactoferrin, wobei das letztere Protein eine höhere Bindungsaffinität zum Gallium aufweist als das Transferrin selbst. Hohe Lactoferrinkonzentrationen im RES (Leber, Milz, Knochenmark), im Darm und in Drüsengewebe (Speichel und Tränendrüsen sowie in der Mamma) erklären zum Teil die bevorzugte Galliumanreicherung in diesen Organen. Freies Ga-67 bindet an die Knochenmatrix.
Die Anreicherung malignen und entzündlichen Prozessen: Aufgrund einer erhöhten Kapillarpermeabilität und eines verminderten lymphatischen Abstroms kommt es zunächst zur unspezifischen Exsudation des Ga-67-Transferrin-Komplexes in das Tumorgewebe. Ein wichtiger Anreicherungsmechanismus in Tumorzellen stellt dabei neben einer passiven Diffusion die Bindung von Ga-67 an Transferrinrezeptoren (CD 71) dar, die an der Oberfläche von malignen Zellen exprimiert werden. Der Ga-67-Transferrin-Komplex wird anschließend von der Tumorzelle lysosomal inkorporiert. Anschließend wird das Ga-67 an intrazelluläres Ferritin gebunden. Im Gewebe kommt es zusätzlich zu einer Dissoziation von Ga-67 von Transferrin und zur Bindung des Radiopharmakons an Lactoferrin, das in Tumorgeweben in höherer Konzentration vorliegt.
Auch bei inflammatorischen Prozessen scheint der erste Schritt in der Anreicherung des Tracers eine durch die erhöhte Kapillarpermeabilität hervorgerufene Exsudation des Ga-Tranferrin-Komplexes zu sein. Anschließend erfolgt eine Bindung von Ga-67 an Transferrinrezeptoren (CD 71), die von Entzündungszellen exprimiert werden. Man nimmt an, daß Ga-67 anschließend intrazellulär inkorporiert und vorwiegend an Lactoferrin gebunden wird. Eine wesentliche Rolle bei der Ga-67 Anreicherung in Entzündungen kommt aber auch dem interstitiellen Lactoferrin zu, das von aktivierten Leukozyten sezerniert wird. Schließlich wird Gallium in Mikroorganismen in Form von Siderophoren aufgenommen. Dies sind Chelatbildner die eine hohe Bindungsaffinität sowohl zum Eisen als auch zum Gallium aufweisen (12, 13, 14).
- Datenakquisition
Die Gammakamerauntersuchung sollte mit einem mittelenergetischen Parallellochkollimator erfolgen. Die Fenstereinstellung sollte bei 93 keV, 184 keV und 296 keV ± 20% der Hauptphotopeaks liegen.
Nach intravenöser Injektion von Gallium-67-Zitrat werden Einzelaufnahmen, Ganzkörperszintigramme und SPECT-Untersuchungen, die insbesondere im Abdomen essentiell sind oder eine Kombination aus diesen Verfahren, durchgeführt.
Die Szintigramme werden üblicherweise zwischen 24 und 72 Stunden nach Injektion des radioaktiven Arzneimittels angefertigt. Spätszintigramme nach 96 Stunden oder noch später können hilfreich sein, wenn eine ausgesprochen intensive physiologische Darmausscheidung vorliegt. Bei hochakuten Darmentzündungen sollten Frühaufnahmen nach 4-6 Stunden erfolgen, da zu diesem Zeitpunkt die physiologische intestinale Ausscheidung noch nicht begonnen hat.
Zur Ganzkörperszintigraphie werden anteriore und posteriore Szintigramme angefertigt. Hierzu werden 1,5-2 Millionen Counts pro Ganzkörperszintigramm akquiriert oder der Ganzkörper in 25-35 Minuten abgefahren. Das bedeutet für Erwachsene eine Scangeschwindigkeit von 6-8 cm pro Minute. Für planare Einzelaufnahmen des Thorax sollte zwischen 250000 und 1 Million Counts (5-20 min Vorwahl) akquiriert werden. Einzelaufnahmen des Stammskelettes sollten zur gleichen Zeit erfolgen. Die hohe Variationsbreite der hier empfohlenen Impulse ergibt sich aus der jeweiligen klinischen Situation und der Variabilität der Aufnahmezeitpunkte (4 bis 96 h p.i. und ggf. später). SPECT Akquisitionen des Körperstammes sind obligat und sollten mit 30 sec pro Winkelschritt und 3o--Winkelschritten (Matrix: 128x128) durchgeführt werden.
- Patientenvorbereitung:
- Befundinterpretation
- Zur Osteomyelitis-Diagnostik sollte vorab immer eine Dreiphasen-Skelettszintigraphie durchgeführt worden sein. Liegt die relative Intensität der Gallium-67-Zitrat-Speicherung in einem Fokus unter der relativen Speicherung im Skelettszintigramm, so kann eine Osteomyelitis weitgehend ausgeschlossen werden. Liegt die relative Intensität der Gallium-67-Zitrat-Speicherung in einem Fokus über der relativen Speicherung im Skelettszintigramm oder ist sie ausgedehnter als die Speicherung im Skelettszintigramm, wird eine Osteomyelitis diagnostiziert (6, 8, 9, 10, 11, 12).
Schwierig ist die Beurteilung, wenn Gallium-67-Zitrat- und Knochenszintigramm einen identischen relativen Uptake ergeben. Dies kann häufiger unter Antibiotika-Einnahme beobachtet werden. Die Untersuchung mit Gallium-67-Zitrat bei der Diagnose einer Osteomyelitis im Achsenskelett sollte allerdings nur dann durchgeführt werden, wenn die Möglichkeit zur FDG-PET nicht gegeben ist.
- Der besondere Wert der Gallium-67-Zitrat-Szintigraphie bei immunsupprimierten Patienten (AIDS-Patienten, Patienten unter oder nach Chemotherapie oder nach Organtransplantationen), liegt in der Früherkennung und der Diagnose pulmonaler Entzündungen oder Infektionen. Ein negatives Gallium-67-Zitrat-Szintigramm schließt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Pneumonie aus, sofern der Patient nicht behandelt ist (1, 2, 5, 7, 15).
- Bei AIDS-Patienten mit pathologischem Röntgen-Thorax, aber negativem Gallium-67-Zitrat-Szintigramm, besteht ein dringender Verdacht auf das Vorliegen eines Kaposi-Sarkoms.
- Ein umschriebener hiliärer und mediastinaler Lymphknoten-Uptake wird besonders häufig bei Infektionen mit Mycobacterium tuberculosis und Mycobacterium avium intracellulare aber auch bei Lymphomen beobachtet.
- Ein fokal akzentuierter pulmonaler Parenchym-Uptake spricht für das Vorliegen einer akuten Pneumonie. Dieser Befund wird gelegentlich auch bei einer Pneumocystis-carinii-Pneumonie (PCP) beobachtet.
- Eine PCP führt meist zu einem diffus erhöhten Uptake der Lunge. Die Intensität der Speicherung geht in der Regel parallel mit der Intensität des Entzündungsgrades. Einen beidseitig kranial betonten erhöhten Lungen-Uptake findet man bei PCP-Patienten, die eine Pentamitine-Aerosol Therapie bekommen.
- Andere Ursachen für eine diffus gesteigerten Lungen-Uptake sind die idiopathische Lungenfibrose, eine Sarkoidose, eine interstitielle Pneumonie, eine Fibrose auf Busulfan oder Amiodarone, die Strahlenpneumonitis, eine metastatische Lymphangiosis carcinomatosa und eine Reaktion auf Lipiodol.
- Weitere Differentialdiagnosen für einen gesteigerten hiliären oder mediastinalen Lymphknoten-Uptake sind die Sarkoidose, eine Tuberkulose und ein Lymphom.
- Bei AIDS-Patienten mit pathologischem Röntgen-Thorax, aber negativem Gallium-67-Zitrat-Szintigramm, besteht ein dringender Verdacht auf das Vorliegen eines Kaposi-Sarkoms.
- Zur Osteomyelitis-Diagnostik sollte vorab immer eine Dreiphasen-Skelettszintigraphie durchgeführt worden sein. Liegt die relative Intensität der Gallium-67-Zitrat-Speicherung in einem Fokus unter der relativen Speicherung im Skelettszintigramm, so kann eine Osteomyelitis weitgehend ausgeschlossen werden. Liegt die relative Intensität der Gallium-67-Zitrat-Speicherung in einem Fokus über der relativen Speicherung im Skelettszintigramm oder ist sie ausgedehnter als die Speicherung im Skelettszintigramm, wird eine Osteomyelitis diagnostiziert (6, 8, 9, 10, 11, 12).
- Qualitätskontrolle
Normalerweise wird Gallium-67-Zitrat in Einzeldosen für Patienten bereitgestellt. Radiochemische Qualitätskontrollen vor der Injektion erübrigen sich deshalb.
- Fehlerquellen bei der Befundung
- Die physiologische Ausscheidung im Darm ist die häufigste Ursache für falsch-positive und falsch-negative Interpretationen.
- Umschrieben knotige Hilusanreicherungen schwacher Intensität können bei erwachsenen Rauchern vorkommen.
- Nach Chemotherapie kann es bei Kindern zu einer erhöhten Aktivität im Bereich des Thymus kommen. Bei Kindern unter zwei Jahren ist ein Thymus-Uptake die Regel (4).
- Die Intensität der Gallium-67-Zitrat-Speicherung kann durch Gadolinium-haltige Kontrastmittel (3) und durch Absättigen der Eisenbindungsstellen am Transferrin (z. B. Hämolyse oder nach Bluttransfusionen) herabgesetzt werden. Eine Desferrioxamin-Therapie ändert die Bioverteilung von Gallium-67-Zitrat.
- Nach knöchernen Frakturen, nach knochenchirurgischen Eingriffen und bei einer Prothesenlockerung findet man einen erhöhten Gallium-Uptake über variable Zeiträume.
- Die physiologische Ausscheidung im Darm ist die häufigste Ursache für falsch-positive und falsch-negative Interpretationen.
- Barron TF, Birnbaum NS, Shane LB, et al. Pneumocystis carinii pneumonia studied by 67Gallium scanning. Radiology 1987; 162: 383-387.
- Bitran J, Bekerman C, Weinstein R, et al. Patterns of 67Gallium scintigraphy in patients with acquired immunodeficiency syndrome and the AIDS-related complex. J Nucl Med 1978; 28: 1103-1106.
- Hattner RS, White DL. 67Gallium/stable gadolinium antagonism: MRI contrast agent markedly alters the normal biodistribution of 67-Gallium localization. J Nucl Med 1990; 31: 1844-1846.
- Hibi S, et al. Thymic localization of 67-Gallium in pediatric patients with lymphoid and nonlymphoid tumors. J Nucl Med 1987; 28: 293-297.
- Kramer EL, Sanger JJ. Detection of thoracic infections by nuclear medicine techniques in the acquired immunonodeficiency syndrome. Radiol Clin North Am 1989; 27: 1067-1076.
- Gratz S, Dorner J, Oestmann JW, Opitz M, Behr T, Meller J, Grabbe E, Becker W. 67Ga-citrate and 99Tcm-MDP for estimating the severity of vertebral osteomyelitis. Nucl Med Commun 2000; 21: 111-120.
- Kramer EL, Sanger JJ. Nuclear medicine in the management of the AIDS patient. In: Freeman, LM, ed Nuclear medicine annual. New York: Raven; 1990: 37-57.
- Lisbona R, Rosenthall LM. Observations on the sequential use of 99mTc-phosphonate complex and 67Ga imaging in osteomyelitis, cellulitis and septic arthritis. Radiology 1977; 123: 123-139.
- Merkel KD, Brown MD, Dewanjee MK, et al. Comparison of indium-labeled-leukocyte imaging with sequential technetium-gallium scanning in the diagnosis of low-grade musculoskeletal sepsis. J Bone Joint Surg 1985; 67: 465-476.
- Merkel KD, Brown ML, Fitzgerald RH Jr. Sequential technetium-99m-HMDP/67Gallium-citrate imaging for the evaluation of infection in the painful prothesis. J Nucl Med 1986; 27: 1413-1417.
- Palestro CJ. The current role of gallium imaging in infection. Semin Nucl Med 1994; 14: 128-141.
- Rosenthall LM, Lisbona R, Hernandez M, et al. Technetium-99m and 67Ga imaging for following insertion of orthopedic devices. Radiology 1979; 133: 717-721.
- Tsan MF. Mechanism of 67Gallium accumulation in inflammatory lesions. J Nucl Med 1985; 26: 88-92.
- Weiner RE. The role of transferrin and other receptors in the mechanism of Ga-67 localization. Nucl Med Biol 1990; 17: 141-149.
- Woolfenden JM, Carrasquillo JA, Larson SM. et al. Acquired immunodeficiency syndrome: Ga-67-citrate imaging. Radiology 1985; 154: 791-793.
zurück zur Übersicht |