
Leitlinien
Verfahrensanweisung zur Radioiodtherapie (RIT) beim differenzierten Schilddrüsenkarzinom (Version 3)
M. Dietlein 1,3,10, J. Dressler 1,4, W. Eschner 1,2,3, F. Grünwald 5, M. Lassmann 1,2,6, B. Leisner 1,7, M. Luster 1,6, E. Moser 1,8, Chr. Reiners 1,6, H. Schicha 1,3, O. Schober 1,9
für die 1Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin (DGN) und die 2Deutsche Gesellschaft für Medizinische Physik (DGMP)
3Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin der Universität zu Köln
4Nuklearmedizinische Klinik der Henriettenstiftung, Hannover
5Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin der Universität Frankfurt
6Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin der Universität Würzburg
7Abteilung für Nuklearmedizin des Allg. Krankenhauses St. Georg, Hamburg
8Abteilung für Nuklearmedizin der Radiologischen Universitätsklinik Freiburg
9Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin der Universität Münster
M. Dietlein 1,3,10, J. Dressler 1,4, W. Eschner 1,2,3, F. Grünwald 5, M. Lassmann 1,2,6, B. Leisner 1,7, M. Luster 1,6, E. Moser 1,8, Chr. Reiners 1,6, H. Schicha 1,3, O. Schober 1,9
für die 1Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin (DGN) und die 2Deutsche Gesellschaft für Medizinische Physik (DGMP)
3Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin der Universität zu Köln
4Nuklearmedizinische Klinik der Henriettenstiftung, Hannover
5Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin der Universität Frankfurt
6Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin der Universität Würzburg
7Abteilung für Nuklearmedizin des Allg. Krankenhauses St. Georg, Hamburg
8Abteilung für Nuklearmedizin der Radiologischen Universitätsklinik Freiburg
9Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin der Universität Münster
10 federführend und Korrespondenzadresse: | Prof. Dr. med. M. Dietlein Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin der Universität zu Köln 50924 Köln Tel. 0221 478 5856 Fax 0221 478 6777 Email: markus.dietlein@uni-koeln.de |
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- Zielsetzung
Diese Verfahrensanweisung ergänzt die interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (Informationszentrum für Standards in der Onkologie, ISTO) zu den malignen Schilddrüsentumoren um die nuklearmedizinische Therapie. Sie beschränkt sich auf die differenzierten (papillären und follikulären) Schilddrüsenkarzinome. Da die Prognose entdifferenzierter oder anaplastischer Schilddrüsenkarzinome in der Regel nicht durch zusätzlich enthaltene, höher differenzierte Schilddrüsenkarzinomanteile oder eine immunhistochemisch nachweisbare Thyreoglobulinexpression günstig beeinflusst wird, ist hier eine Radioiodtherapie allenfalls nachrangig nach der perkutanen Strahlentherapie in Betracht zu ziehen. Die vorliegende Verfahrensanweisung nimmt nur indirekt, und dann nicht federführend Stellung zur Diagnostik vor Primäreingriffen, zur operativen Primärtherapie, zur perkutanen Strahlentherapie, zur Therapie des undifferenzierten und medullären Schilddrüsenkarzinoms, zur Systematik der Nachsorge und zur Rehabilitation. Zu diesen Fragen wird auf die interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie [4] verwiesen.
- Definition
Bei der Radioiodtherapie (RIT) handelt es sich um die systemische Applikation von I-131 als Natrium-Iodid zur selektiven Bestrahlung von iodspeicherndem Schilddrüsen- und Schilddrüsenkarzinom-Gewebe. Die ablative RIT wird in adjuvanter Zielsetzung zur vollständigen Elimination von postoperativ verbliebenem Schilddrüsen-Restgewebe durchgeführt. Die RIT von Lokalrezidiven, Lymphknoten- und Fernmetastasen und von inoperablen oder nicht vollständig operativ entfernbaren Tumoren erfolgt sowohl mit kurativer als auch mit palliativer Zielsetzung.
- Indikationen
Grundsätzlich sind folgende Einsatzgebiete der Radioiod-Applikation zu unterscheiden [2, 20, 24]:
- IT von postoperativ verbliebenem Restschilddrüsengewebe nach einer totalen oder fast totalen Thyreoidektomie. Die ablative RIT ist beim differenzierten Schilddrüsenkarzinom eine Standardprozedur. Ausnahme ist lediglich das papilläre Mikrokarzinom £ 1cm, bei dem nicht regelhaft eine totale oder fast totale Thyreoidektomie erfolgt und somit u.U. eine ablative Radioiodtherapie nicht indiziert ist. In einzelnen Fällen des papillären Mikrokarzinoms ist aber nach weitgehender Thyreoidektomie eine ablative RIT zur Verbesserung der Nachsorge möglich bzw. ist in Abhängigkeit von anderen prognostischen Faktoren (Nähe des Tumors zur Schilddrüsenkapsel, Familiarität, perkutane Vorbestrahlung der Halsweichteile, Tumordurchmesser 5-10 mm [13], ggf. molekulargenetische Marker, Sicherheitsbedürfnis des Patienten) zu diskutieren [8]. Enthalten entdifferenzierte oder anaplastische Schilddrüsenkarzinome höher differenzierte Schilddrüsenkarzinomanteile oder zeigen immunhistochemisch eine Thyreoglobulinexpression, ist eine ablative RIT in Ergänzung zur Operation und zur perkutanen Strahlentherapie [26] ggf. indiziert.
- RIT von Lokalrezidiven, Lymphknoten-, Fernmetastasen, inoperablen sowie nicht vollständig operativ entfernbaren Tumoren, wenn eine Radioiod-Speicherung bewiesen oder mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist. Die Ergebnisse einer RIT sind umso besser, je kleiner die Tumormasse und je höher der Differenzierungsgrad ist. Als primäre Therapieoption ist immer zunächst das operative Vorgehen zu prüfen.
- RIT bei nachweisbarem oder ansteigendem Thyreoglobulin-Spiegel (z.B. > 10 ng/ml unter TSH-Stimulation) ohne szintigraphische Radioiod-Speicherung sowie ohne Korrelat in der übrigen funktionellen und morphologischen Bildgebung (Sonographie der Halweichteile, ggf. FDG-PET, CT Thorax, MRT der Halsweichteile und des Mediastinums, Skelettszintigraphie, MRT des Knochenmarks), sofern keine höhergradige Knochenmarkdepression durch hohe akkumulierte I-131-Gesamtaktivitäten bzw. andere Therapien vorliegt [1, 2].
- Bezüglich der diagnostischen I-131 Applikation wird auf die Verfahrensanweisung für die I-131 Ganzkörperszintigraphie beim differenzierten Schilddrüsenkarzinom verwiesen [6, 7].
- IT von postoperativ verbliebenem Restschilddrüsengewebe nach einer totalen oder fast totalen Thyreoidektomie. Die ablative RIT ist beim differenzierten Schilddrüsenkarzinom eine Standardprozedur. Ausnahme ist lediglich das papilläre Mikrokarzinom £ 1cm, bei dem nicht regelhaft eine totale oder fast totale Thyreoidektomie erfolgt und somit u.U. eine ablative Radioiodtherapie nicht indiziert ist. In einzelnen Fällen des papillären Mikrokarzinoms ist aber nach weitgehender Thyreoidektomie eine ablative RIT zur Verbesserung der Nachsorge möglich bzw. ist in Abhängigkeit von anderen prognostischen Faktoren (Nähe des Tumors zur Schilddrüsenkapsel, Familiarität, perkutane Vorbestrahlung der Halsweichteile, Tumordurchmesser 5-10 mm [13], ggf. molekulargenetische Marker, Sicherheitsbedürfnis des Patienten) zu diskutieren [8]. Enthalten entdifferenzierte oder anaplastische Schilddrüsenkarzinome höher differenzierte Schilddrüsenkarzinomanteile oder zeigen immunhistochemisch eine Thyreoglobulinexpression, ist eine ablative RIT in Ergänzung zur Operation und zur perkutanen Strahlentherapie [26] ggf. indiziert.
- Kontraindikationen
Absolute:- Gravidität
- Stillperiode
- Höhergradige Knochenmarkdepression, sofern eine Hochdosistherapie geplant ist.
- Erhebliche Einschränkung der Lungenfunktion, sofern eine relevante pulmonale Speicherung zu erwarten ist.
- Erhebliche Xerostomie bei nachgewiesener Funktionseinschränkung der Speicheldrüsen, insbesondere bei fraglicher Radioiodspeicherung (III. 3.).
- Symptomatische spinale oder zerebrale Metastasen, von denen die Gefahr progredienter Kompressionssymptome unter RIT ausgeht.
- Ziele
- Erst durch eine adjuvante RI-Ablation postoperativ verbliebenen Restschilddrüsen- bzw. Tumorgewebes sind optimale Voraussetzungen zur Nachsorge (I-131 Ganzkörperszintigraphie, Sonographie und Serum-Thyreoglobulin) gegeben. Die Nachsorge dient dazu, lokale Rezidive und Fernmetastasen in einer kurativen Situation zu erkennen und die Mortalitätsrate zu minimieren. Häufig sind zuvor unbekannte regionäre oder distante Metastasen erst nach erfolgreicher Ablation des Schilddrüsenrestes nachweisbar. Bei einer Nachbeobachtungszeit von mehr als 10 Jahren verbessert die RI-Ablation die Rezidivrate und die Mortalitätsrate.
- Kurative oder palliative Therapie von radioiodspeichernden Tumorresten, Rezidiven, Lymphknoten- und Fernmetastasen.
- Bei individueller Abwägung kurative oder palliative Therapie von laborchemisch nachweisbarer Tumoraktivität ohne ein makroskopisch fassbares Tumorkorrelat in der morphologischen und funktionellen Bildgebung.
- Erst durch eine adjuvante RI-Ablation postoperativ verbliebenen Restschilddrüsen- bzw. Tumorgewebes sind optimale Voraussetzungen zur Nachsorge (I-131 Ganzkörperszintigraphie, Sonographie und Serum-Thyreoglobulin) gegeben. Die Nachsorge dient dazu, lokale Rezidive und Fernmetastasen in einer kurativen Situation zu erkennen und die Mortalitätsrate zu minimieren. Häufig sind zuvor unbekannte regionäre oder distante Metastasen erst nach erfolgreicher Ablation des Schilddrüsenrestes nachweisbar. Bei einer Nachbeobachtungszeit von mehr als 10 Jahren verbessert die RI-Ablation die Rezidivrate und die Mortalitätsrate.
- Patientenvorbereitung und Vorsichtsmaßnahmen
- Die Wirksamkeit der ablativen RIT und der RIT von Metastasen ist vom TSH-Spiegel abhängig; günstig ist ein basales TSH > 30 mU/l. Dieser TSH-Spiegel ist in der Regel 3-5 Wochen nach Thyreoidektomie oder 45 Wochen nach Absetzen einer Levothyroxin (T4)-Medikation erreicht. Um die Zeitspanne der Hormonkarenz zu verkürzen, kann nach Absetzen einer Levothyroxin-Medikation eine überbrückende 1- bis 2-wöchige Triiodthyronin (T3)-Medikation bis 2 Wochen vor der RIT erfolgen. Gleich hohe Erfolgsraten der Radioiod-Ablation werden unter einer exogenen TSH-Stimulation nach Injektion von rekombinantem humanem TSH (rhTSH) erzielt; vorteilhaft sind hierbei der Verzicht auf einen Schilddrüsenhormonentzug bzw. ein Schilddrüsenhormonentzug von nur wenigen Tagen sowie eine niedrigere I-131 Aktivität im Serum im Vergleich zur Ablation unter endogener Stimulation [17]. Im Hochrisiko-Kollektiv ist ein möglicher Nachteil von rhTSH, dass eine Vielzahl der kleinen, Iod-aviden und kurativ behandelbaren Metastasen vor der ersten I-131 Gabe nicht bekannt sind und dass die ablative RIT dann zugleich mit einer RIT von Metastasen einhergehen kann. Für die RIT von Metastasen ist aber die Gleichwertigkeit einer endogenen oder exogenen TSH-Stimulation nicht prospektiv belegt. Ist postoperativ relevantes Restschilddrüsengewebe (z.B. > 5-10 ml) verblieben und ist eine Nachresektion nicht möglich oder nicht gewünscht, so ist bei der ersten ablativen RIT ein basales TSH < 30 mU/l akzeptabel.
- Keine stark iodhaltigen Medikamente (z.B. iodhaltige Röntgenkontrastmittel, iodhaltige Desinfektionsmittel, Iodid-Medikation, iodhaltige Augentropfen) oder Nahrungsmittel (z.B. auch Multivitamin- und Spurenelement-Kombinationen, Seetang) 46 Wochen vor der ablativen RIT/RIT von Metastasen. Wesentlich längere Zeitintervalle bis zur Durchführung der RIT sind nach Applikation von lipophilen Röntgenkontrastmitteln (Lymphographie, heute sehr selten eingesetzt) und nach Amiodaron zu beachten. Nach erhöhter Iodexposition sollte auf ein ausreichendes Zeitintervall bis zur RIT geachtet werden, ggf. Messung der Iodurie. Eine iodarme Diät über 2 Wochen vor einer Radioiodgabe wird empfohlen, wenngleich eine Veränderung der Erfolgsrate bei der RIT durch diese diätetische Maßnahme nicht bewiesen ist [10, 15]. Das kurzzeitige Absetzen einer Levothyroxin-Medikation vor einer rhTSH-Gabe, z.B. beginnend 2 Tage vor der ersten rhTSH-Injektion, ist eine weitere Möglichkeit, die Iodzufuhr prätherapeutisch zu verringern.
- Ausschluss Schwangerschaft und Stillperiode. Nach ablativer RIT/RIT von Metastasen wird die Vermeidung einer Schwangerschaft durch konsequente Kontrazeption für 6 - 12 Monate bei gebärfähigen Patientinnen bzw. für 4 Monate bei Patienten empfohlen. Beschrieben sind erhöhte Abort- und Frühgeburtraten bei Patientinnen mit Schilddrüsenkarzinom, die innerhalb des ersten Jahres nach einer Radioiodtherapie schwanger wurden [25]. Bei Patienten mit einem Schilddrüsenkarzinom ist der Lebenszyklus der Spermatozoen von 4 Monaten Basis dieser Empfehlung [18]. Das Stillen ist vor einer I-131 Applikation zu beenden, um die Strahlenexposition des Kindes auf weniger als 1 mSv zu begrenzen.
- Falls hohe akkumulierte Therapieaktivitäten (z.B. 3 14,8 GBq I-131) zu erwarten sind, wird für Patienten ohne abgeschlossene Familienplanung die Kryokonservierung von Sperma empfohlen [3, 28]. Hinsichtlich einer etwaigen Kryokonservierung von Eizellen existieren keine Daten. Eine gute Hydratation mit häufiger Entleerung der Harnblase und das Vermeiden einer Obstipation reduzieren die Strahlenexposition der Gonaden.
- Die Knochenmarkdosis wird nicht nur von der akkumulierten I-131 Aktivität, sondern auch von der Nierenfunktion beeinflusst. Vor einer I-131 Therapie sollten Differenzialblutbild und Kreatinin bekannt sein.
- Reichliche Mahlzeiten können die Resorption des oral applizierten Radioiods vermindern oder verzögern. Die Patienten sollten daher mindestens 4 h vor sowie 1 h nach einer oralen Radioiodapplikation nüchtern bleiben.
- Anregung des Speichelflusses (z.B. Zitronensaft, saure Drops), um die Strahlenexposition der Speicheldrüse zu vermindern. Die Datenlage gestattet keine eindeutige Empfehlung, zu welchem Zeitpunkt mit der Verabreichung von Zitrone begonnen werden sollte [16]. Andere Maßnahmen, um die Schädigung der Speicheldrüsen zu minimieren, wie die Infusion von Amifostin, die Gabe von cholinergen Substanzen oder eine gute Hydratation sind in ihrem Nutzen unzureichend belegt, um eine Empfehlung dafür oder dagegen zu geben [3].
- Zur Verminderung der Strahlenexposition können ein mildes Abführmittel und die häufige Entleerung der Harnblase hilfreich sein.
- Bei zerebralen oder spinalen Metastasen mit Kompressionsgefahr wird grundsätzlich die Gabe von Glukokortikoiden empfohlen. Vor und während der Glukokortikoidtherapie sind eingehende Abklärungen durchzuführen. Absolute und relative Kontraindikationen der Glukokortikoidtherapie (z.B. Diabetes mellitus, Ulcus ventriculi, Ulcus duodeni, Elektrolytstörungen) sind zu berücksichtigen.
- Die Wirksamkeit der ablativen RIT und der RIT von Metastasen ist vom TSH-Spiegel abhängig; günstig ist ein basales TSH > 30 mU/l. Dieser TSH-Spiegel ist in der Regel 3-5 Wochen nach Thyreoidektomie oder 45 Wochen nach Absetzen einer Levothyroxin (T4)-Medikation erreicht. Um die Zeitspanne der Hormonkarenz zu verkürzen, kann nach Absetzen einer Levothyroxin-Medikation eine überbrückende 1- bis 2-wöchige Triiodthyronin (T3)-Medikation bis 2 Wochen vor der RIT erfolgen. Gleich hohe Erfolgsraten der Radioiod-Ablation werden unter einer exogenen TSH-Stimulation nach Injektion von rekombinantem humanem TSH (rhTSH) erzielt; vorteilhaft sind hierbei der Verzicht auf einen Schilddrüsenhormonentzug bzw. ein Schilddrüsenhormonentzug von nur wenigen Tagen sowie eine niedrigere I-131 Aktivität im Serum im Vergleich zur Ablation unter endogener Stimulation [17]. Im Hochrisiko-Kollektiv ist ein möglicher Nachteil von rhTSH, dass eine Vielzahl der kleinen, Iod-aviden und kurativ behandelbaren Metastasen vor der ersten I-131 Gabe nicht bekannt sind und dass die ablative RIT dann zugleich mit einer RIT von Metastasen einhergehen kann. Für die RIT von Metastasen ist aber die Gleichwertigkeit einer endogenen oder exogenen TSH-Stimulation nicht prospektiv belegt. Ist postoperativ relevantes Restschilddrüsengewebe (z.B. > 5-10 ml) verblieben und ist eine Nachresektion nicht möglich oder nicht gewünscht, so ist bei der ersten ablativen RIT ein basales TSH < 30 mU/l akzeptabel.
- Notwendige Informationen
- Schilddrüsenhormonkarenz, sofern nicht die Gabe von rhTSH zur Radioiod-Ablation der Restschilddrüse erfolgt.
- Vermeidung einer Exposition mit iodhaltigem Röntgenkontrastmittel oder mit iodhaltigen Medikamenten sowie Vermeidung einer iodreichen Ernährung.
- Klinische Untersuchung.
- Postoperative, HNO-ärztliche Funktionsanalyse der Nervi recurrentes.
- Operationsbericht (Vollständigkeit der Schilddrüsenresektion, Anzahl und Lokalisation der entfernten Lymphknoten, möglichst mit Nennung der Kompartimente).
- Histopathologie (Tumorentität, Tumorstadium, Tumordurchmesser, Kapselinfiltration, Anzahl der untersuchten Lymphknoten, Lymphknoteninfiltration, Differenzierungsgrad, Verwendung der TNM-Klassifikation gemäß der 5. und 6. Auflage [29]).
- Labor (basale TSH-Konzentration, Thyreoglobulin mit Wiederfindung, Tg-Antikörper, ggf. Messung der Iodurie, Kreatinin, Calcium, Differentialblutbild, Calcitonin vor ablativer RIT, sofern nicht bereits prä- oder postoperativ erfolgt).
- Befunde der Sonographie und ggf. anderer bildgebender Verfahren, Befunde ggf. vorangegangener I-131 Ganzkörperszintigraphien, ggf. vorangegangene RI-Therapien. Ist aufgrund eines ansteigenden Thyreoglobulinspiegels und einer vorangegangenen negativen I-131 Szintigraphie der Verdacht auf nicht-iodspeichernde Metastasen begründet, ist eine Positronen-Emissions-Tomographie mit F-18-Fluorodeoxyglucose, ggf. eine konventionelle Szintigraphie mit Tc-99m-Sestamibi sinnvoll. Dabei erhöht eine exogene TSH-Stimulation die Sensitivität der FDG-PET [11]. Bei Verdacht auf Lungenmetastasen wird eine CT des Thorax (ohne Kontrastmittel, sofern 4-6 Wochen vor einer I-131 Applikation), bei Verdacht auf Knochenmetastasen eine Skelettszintigraphie empfohlen.
- Kürzlich applizierte Radiopharmaka. (Hinweis: Die ablative RIT/RIT von Metastasen ist grundsätzlich mit einer posttherapeutischen I-131 Ganzkörperszintigraphie verbunden, da die Sensitivität der Szintigraphie nach Gabe der Therapieaktivität höher ist als nach Applikation von I-131 mit Aktivitäten im diagnostischen Bereich.)
- Schwangerschaft, Laktation.
- Ggf. Lungenfunktion (siehe IV.4.)
- Schilddrüsenhormonkarenz, sofern nicht die Gabe von rhTSH zur Radioiod-Ablation der Restschilddrüse erfolgt.
- Prätherapeutische Dosimetrie (ablative RIT, RIT von Metastasen)
Mit der Frage nach postoperativ verbliebenem Restschilddrüsengewebe und seiner Speicherintensität sowie mit der Frage nach iodspeichernden regionalen und distanten Metastasen und ihrer Speicherintensität können folgende Strategien zur Anwendung kommen:
- Verwendung von Standardaktivitäten zur ablativen RIT/RIT von Metastasen (siehe X.), wenn aufgrund der Vorbefunde die Indikation zur RIT bereits gestellt ist.
- Ggf. I-123 zum Radioiodtest, zur Szintigraphie der Halsregion (ablative RIT) oder zur Ganzkörperszintigraphie (ablative RIT, RIT von Metastasen). Soll eine I-123 Ganzkörperszintigraphie durchgeführt werden, sind Aktivitäten um 40-200 MBq anzuwenden. Ein Stunning ist durch Anwendung dieses reinen Gammastrahlers nicht zu erwarten. Nachteilig ist die niedrigere Sensitivität der I-123 Szintigraphie gegenüber der I-131 Szintigraphie.
- Ggf. I-124 Positronen-Emissions-Tomographie unter Verwendung der integrierten PET/CT. Ein Stunning ist durch Anwendung des Positronen-Emitters nicht zu erwarten.
- Ggf. I-131 zum Radioiodtest, zur Szintigraphie der Halsregion (ablative RIT) oder zur Ganzkörperszintigraphie (ablative RIT, RIT von Metastasen). Niedrige Aktivitäten zwischen 1 und 10 MBq I-131 vor einer ablativen RIT haben den Vorzug, dass ein mögliches „Stunning“ im Vergleich zu höheren Aktivitäten weniger relevant ist [6, 14]. Aktivitäten von 100-400 MBq I-131 oder mehr, sowie therapeutische Aktivitäten besitzen den Vorteil einer höheren Sensitivität für iodspeichende Metastasen (siehe Verfahrensanweisung für die I-131 Ganzkörperszintigraphie beim differenzierten Schilddrüsenkarzinom und Verfahrensanweisung zum Radioiodtest) [5, 6, 9]. Da die diagnostische Genauigkeit einer prätherapeutischen I-131 Ganzkörper-Szintigraphie mit niedrigen I-131 Aktivitäten vor der Ablation ohnehin gering ist, sollte die mögliche prätherapeutische Anwendung von I-131 auf die quantitative Szintigraphie der Schilddrüsenloge und der Halsregion begrenzt werden. Hierzu reichen Aktivitäten von 1-10 MBq I-131. Eine prätherapeutische, quantitative Szintigraphie ist hilfreich, wenn die Größe des Schilddrüsen-Restgewebes durch den Operationsbericht und die Sonographie nur unzureichend abzuschätzen ist oder wenn das Ergebnis der quantitativen Szintigraphie die Therapieentscheidung oder die Höhe der I-131 Therapieaktivität beeinflusst.
- Verwendung von Standardaktivitäten zur ablativen RIT/RIT von Metastasen (siehe X.), wenn aufgrund der Vorbefunde die Indikation zur RIT bereits gestellt ist.
- Inhalte der Aufklärung
Aufklärung des Patienten über
- Behandlungskonzept.
- Nebenwirkungen und Risiken (siehe XI.).
- Durchführung der ablativen RIT/RIT von Metastasen unter stationären Strahlenschutzbedingungen.
- Strahlenhygienische Maßnahmen während der RIT und nach der Entlassung.
- Vermeidung einer Schwangerschaft bzw. Notwendigkeit der Kontrazeption über 6-12 Monate (betrifft gebärfähige Patientinnen) bzw. über 4 Monate (betrifft Patienten).
- Notwendigkeit der lebenslangen, risikoadaptierten Nachsorge.
- Bei Metastasen oder bei Thyreoglobulinanstieg ohne Korrelat in der Bildgebung Aufklärung über verschiedene Therapieformen bzw. Behandlungsstrategien unter Berücksichtigung von Nutzen und Risiko.
- Schriftliche Dokumentation der Aufklärung und des Einverständnisses.
- Behandlungskonzept.
- Durchführung
In Deutschland ist die ablative RIT/RIT von Metastasen grundsätzlich nur unter stationären Bedingungen möglich (Strahlenschutzverordnung, Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin 2002) [21, 27].
A) ablative RIT:
- Standardaktivität mit 2 3,7 GBq I-131 oder individuelle Aktivitätsabschätzung für eine Herddosis > 300 Gy. Höhere Standardaktivitäten bis 7,4 GBq I-131 sind bei Hochrisiko-Patienten möglich.
- Orale Applikation als Kapsel (im Ausnahmefall, z.B. bei Unfähigkeit zu schlucken, auch intravenös).
- Nahrungskarenz: mindestens 4 h vor und 1 h nach Applikation.
- Messung der individuellen Kapselaktivität unmittelbar vor Applikation.
- Mindestens 1x täglich, intratherapeutische Aktivitätsmessung des Patienten zur Dosimetrie (z.B. Messsonde).
- I-131 Ganzkörperszintigraphie zum endgültigen Staging (am Entlassungstag, jedoch nicht früher als 72 h nach Applikation). Bei größeren Schilddrüsenresten wird allerdings die Szintigraphie durch den thyroidalen Uptake dominiert, wodurch Iodspeicherherde zervikal, mediastinal oder im oberen Thorax potenziell überlagert werden. Erst eine weitere, diagnostische I-131 Ganzkörper-Szintigraphie 3 6 Monate nach der Ablation erlaubt eine optimale Beurteilung zum Ausschluss iodspeichernder Metastasen.
- Blutentnahme zur Messung des Thyreoglobulin-Spiegels unmittelbar vor Gabe der Iod-131 Therapiekapsel bei Schilddrüsenhormonkarenz und Hypothyreose bzw. 3 - 5 Tage nach der zweiten Injektion von rhTSH.
- Begleitende Maßnahmen:
- reichlich Flüssigkeitszufuhr,
- Laxantiengabe bei Obstipation (insbesondere vor der I-131 Ganzköperszintigraphie),
- Stimulation der Speicheldrüsen (z.B. mit Zitronensaft, saure Drops, Kaugummi),
- Magenschleimhautschutz (z.B. Trinken, Haferschleim, Protonenpumpen-inhibitoren),
- Eiskrawatte bzw. Antiphlogistika (bei entzündlichen Reaktionen im Halsbereich),
- ggf. prophylaktische Glukokortikoidgabe über wenige Tage bei ablativer RIT mit größerem Schilddrüsenrest.
Weitgehend identisches Vorgehen wie bei der ablativen RIT, aber höhere Aktivitäten bzw. Dosen: Standardaktivität mit 4-11 GBq I-131 oder individuelle Aktivitätsabschätzung. Wegen der höheren Aktivitäten spielen begleitende Maßnahmen (siehe VI. und X.A) eine besondere Rolle. Beim Vorliegen von zerebralen oder spinalen Metastasen mit lokaler Kompressionsgefahr empfiehlt sich die Gabe von Glukokortikoiden. Kortikoide sollten auch als Begleitmedikation bei der Radioiodtherapie von disseminierten Lungenmetastasen in Betracht gezogen werden.
Im Einzelfall (Heilversuch) ist die prätherapeutische Gabe von rhTSH als alleinige Maßnahme zur TSH-Stimulation oder zusätzlich zu einer endogenen TSH-Stimulation durch Schilddrüsenhormonentzug zu erwägen. Eine solche rhTSH-basierte I-131 Therapie kann wegen Komorbidität, wegen hypophysärer Erkrankung, wegen eines rasch notwendigen Therapieeffekts, wegen eines ungewöhnlich langsamen TSH-Anstiegs, insbesondere bei älteren Patienten, wegen schwerwiegender Symptome unter einer vorangegangenen hypothyreoten Phase oder zur Verkürzung der Hypothyreosephase bei rasch wachsenden Metastasen medizinisch angeraten sein. Mit palliativer Ausrichtung wird bei Patienten mit einem fortgeschrittenen, metastasierten Schilddrüsenkarzinom die I-131 Therapie unter einer rhTSH-Stimulation als individueller Heilversuch eingesetzt.
- Standardaktivität mit 2 3,7 GBq I-131 oder individuelle Aktivitätsabschätzung für eine Herddosis > 300 Gy. Höhere Standardaktivitäten bis 7,4 GBq I-131 sind bei Hochrisiko-Patienten möglich.
- Nebenwirkungen und Risiken
A) Früh
- Lokale schmerzhafte Schwellung der Restschilddrüse, des Tumors bzw. der Metastasen (Häufigkeit: 10 - 20 %, abhängig von der Gewebemasse).
- Passagere Gastritis (Häufigkeit ca. 30 %).
- Passagere Knochenmarksveränderungen mit Thrombozyto-/Neutropenie (Häufigkeit bis zu 70 %, abhängig von der Therapie-Aktivität).
- Radiogene Sialadenitis (Häufigkeit ca. 30 %).
- Tumorödem in Hypothyreose oder unter rhTSH.
- Neurologische Symptomatik als Kompressionssyndrom bei spinalen oder zerebralen Metastasen.
- Xerostomie infolge chronischer Entzündung der Speicheldrüsen, Geschmacksveränderung, ggf. auch Siccasyndrom der Tränendrüsen (Häufigkeit jeweils abhängig von der kumulativen Therapie-Aktivität: bei Aktivitäten im Rahmen der ablativen RIT um 10-20 %, bei hohen akkumulierten Therapie-Aktivitäten häufige Nebenwirkung, siehe unter VI.). Erhöhtes Risiko von Karies infolge der Xerostomie.
- Knochenmarkdepression mit Thrombozyto- und Neutropenie (Häufigkeit abhängig von der kumulativen Aktivität; selten). Die Knochenmarkdosis wird auch von der Nierenfunktion beeinflusst. Vor einer I-131 Therapie sollten Differenzialblutbild und Kreatinin-Wert bekannt sein.
- Leukämie und Sekundärmalignome mit einer Latenz von 5 und mehr Jahren (bei hohen kumulativen Therapie-Aktivitäten > 22 GBq: Häufigkeit ca. 1 %). Aus europäischen Sammelstatistiken (23) lässt sich ableiten, dass das Risiko für strahleninduzierte Zweitkarzinome wenn überhaupt gering erhöht ist.
- Lungenfibrose bei speichernden Lungenmetastasen (Häufigkeit abhängig von der kumulativen Therapie-Aktivität und dem Ausmaß der pulmonalen Metastasierung: ca. 1 %).
- Azoospermie (Häufigkeit abhängig von der kumulativen Therapie-Aktivität oberhalb 14,8 GBq; selten; siehe unter VI.). (Hinweis: Bei mittleren I-131 Aktivitäten um 7,4 GBq I-131 weicht das Risiko einer permanenten Infertilität nicht von der spontanen Wahrscheinlichkeit ab.)
- Früheres Einsetzen der Menopause (Häufigkeit abhängig von der kumulierten Therapieaktivität). Zyklusstörungen (Amenorrhoe, Oligomenorrhoe) können Folge der Hypothyreose sein.
- Lokale schmerzhafte Schwellung der Restschilddrüse, des Tumors bzw. der Metastasen (Häufigkeit: 10 - 20 %, abhängig von der Gewebemasse).
- Ergebnisse
Der Erfolg einer ablativen Radioiodtherapie wird in der Regel 3 6 Monate später bei der I-131 Ganzkörper-Szintigraphie in Kombination mit einem stimulierten Thyreoglobulin < 2 ng/ml über einen fehlenden oder minimalen Ioduptake der Restschilddrüse (z.B. < 0,1%) definiert (siehe Verfahrensanweisung der DGN zur I-131 Ganzkörper-Szintigraphie). Lagen postoperativ nur kleine Schilddrüsenreste vor, wird eine Ablation der Restschilddrüse bei fast allen Patienten durch eine einmalige I-131 Therapie erreicht.
Die Prognose von Patienten mit differenziertem Schilddrüsenkarzinom ist bei Anwendung eines standardisierten interdisziplinären Therapieschemas (Thyreoidektomie, ablative RIT/RIT von Metastasen, TSH-suppressive Hormontherapie) gut bis sehr gut, sie hängt ab vom histologischen Typ, Tumorstadium und Patientenalter [12, 19, 24].
Papilläre Karzinome: 10 Jahres-Überlebensrate: 85 bis 90 %.
Follikuläre Karzinome: 10 Jahres-Überlebensrate: 75 bis 80 %.
Bei Fernmetastasen < 50%; bei einer ausschließlich mikronodulären Lungenmetastasierung mit Iodspeicherung ist die Prognose deutlich günstiger.
Auch bei Vorliegen von inoperablen sowie nicht vollständig operativ entfernbaren Lokalrezidiven, Lymphknoten-, Fernmetastasen verbessert eine RIT die Prognose.
Auch bei Vorliegen von inoperablen sowie nicht vollständig operativ entfernbaren Lokalrezidiven, Lymphknoten-, Fernmetastasen verbessert eine RIT die Prognose.
- Medikamentöse Begleittherapie
TSH-suppressive Schilddrüsenhormongabe (TSH £ 0,1 mU/l); Beginn: 2-3 Tage nach Applikation der Therapieaktivität; Dosierung ca. 2 - 2,5 µg/kg KG Levothyroxin (Standard) bzw. als Alternative ca. 1 µg/kg KG Triiodthyronin (nur sofern eine erneute ablative RIT/RIT von Metastasen oder eine I-131 Ganzkörperszintigraphie unter Schilddrüsenhormonkarenz innerhalb von 3-4 Monaten geplant ist).
Ein Fortsetzen der TSH-suppressiven Schilddrüsenhormon-Medikation (TSH £ 0,1 mU/l) in der Tumornachsorge wird seitens der European Thyroid Association (ETA) [18] bei High-risk Patienten (jedes pT3, jedes pT4, jedes N1, jedes M1) und bei einem Persistieren der Tumorerkrankung empfohlen. Seitens der ETA wird bei Low-risk Patienten (pT1-2 N0 M0) nach Dokumentation der erfolgreichen Ablation und bei unauffälligem Thyreoglobulin-Spiegel unter TSH-Stimulation (keine Thyreoglobulin-Antikörper, Thyreoglobulin-Wiederfindung ungestört) ein niedrig-normaler TSH-Spiegel (TSH 0,5 1 mU/l) als hinreichend angesehen. Die American Thyroid Association (ATA) empfieht in der Low-risk Konstellation eine Einstellung in den TSH-Bereich von 0,3 2 mU/l) [3]. Beim papillären Mikrokarzinom (Tumordurchmesser £ 1 cm, kein Hinweis auf Metastasen) sind bei der Dosierung der Schilddrüsenhormon-Medikation die Gesichtspunkte der Substitution und der postoperativen Rezidivprophylaxe zu berücksichtigen.
Hierzu werden Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie und der Deutschen Krebsgesellschaft erarbeitet.
- Nachsorge
Unter Verweis auf die interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie erfolgt die Nachsorge lebenslang; risikoadaptiert ist die Nachsorgefrequenz einschließlich der Indikation zur I-131-Ganzkörperszintigraphie.
- Offene Fragen
- Die Anwendung von rhTSH zur RIT von Metastasen.
- Die Anwendung von Retinoiden (Vitamin-A-Abkömmlingen) zur Redifferenzierung und ggf. Verbesserung der Iodspeicherung in Metastasen mit zuvor fehlender oder therapeutisch nicht nutzbarer Radioiodspeicherung stellt nach den Kriterien der Evidenz-basierten Medizin keine Standardbehandlung dar, kann in Einzelfällen aber eingesetzt werden, da in etwa einem Drittel aller Fälle die Induktion einer Radioiodspeicherung zu erwarten ist. Darüber hinaus wird unabhängig von der Radioiodspeicherung eine günstige Beeinflussung des biologischen Verhaltens des Tumors diskutiert [2].
- Stellenwert der RIT bei deutlich nachweisbarem oder ansteigendem Thyreoglobulin-Spiegel (z. B. > 10 ng/ml unter TSH-Stimulation) ohne Korrelat in der morphologischen und funktionellen Bildgebung (I-131 Ganzkörperszintigraphie) [1].
- Stellenwert der RIT beim unifokalen, papillären Schilddrüsenkarzinom £ 1 cm (sehr niedriges Rezidivrisiko, aber lymphogene Mikrometastasierung möglich) und beim follikulären Schilddrüsenkarzinom £ 2 cm (sehr niedrige Wahrscheinlichkeit für lokoregionäre oder distante Metastasen).
- In der Vorbereitung mit rhTSH zur Radioiod-Ablation Verzicht auf eine Schilddrüsenhormonmedikation für wenige Tage mit dem Ziel, die Iodzufuhr zu verringern.
- Die Anwendung von rhTSH zur RIT von Metastasen.
Literatur
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- Deutsche Krebsgesellschaft: Interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie [Informationszentrum für Standards in der Onkologie ISTO]. Maligne Schilddrüsentumoren, 2006, www.uni-duesseldorf.de/AWMF.
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